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Feature

Wilko Grüning


Kennst du Wilko Grüning?
Garantiert nicht!

Ok, du hast ihn vielleicht schon einmal kennen gelernt, was aber noch lange nicht heißt, dass du ihn kennst. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Wilko in seiner eigenen Welt lebt, oder sich unsere Welt so bastelt, wie er es für richtig empfindet.

Ich persönlich kann stundenlang mit ihm über Gott, die Welt, das schönere Geschlecht und vor allem Skateboarding diskutieren, wobei wir zwar selten auf einen Nenner kommen, was aber auch völlig OK ist. Schließlich hat er in vielen Dingen seinen eigenen Dickschädel, dessen Gedanken man erst nach einem intensiven Gespräch nachvollziehen kann. Anderseits gibt es da draußen schon so viele Leute, die einfach nur kopfnickend mit dem Strom schwimmen. Wilko ist das komplette Gegenteil davon und genau das ist auch einer der Gründe dafür, warum es relativ lange gedauert hat, bis wir dieses Interview im Sack hatten. Das Ergebnis spricht eindeutig für Wilko, der ein ziemlicher Perfektionist ist, wenn es um sein Skating geht. Da hat es mich auch nicht wirklich gewundert, dass er noch einmal losgezogen ist, um das Cover neu zu schießen, obwohl wir das Bild bereits im Kasten hatten. Für die Meisten wäre ein Backlip am Rail bestimmt ein richtig krasser Trick gewesen, der den Platz auf dem Cover verdient hätte. Nicht für Wilko, der das Ganze unbedingt noch toppen wollte und richtig tief Luft geholt hat, um einen Kickflip davor zu setzen.

Moin Wilko, stell dich doch bitte erst einmal der Allgemeinheit vor.

Ich heiße Wilko Grüning, bin 22 Jahre alt, mache eine Ausbildung im TITUS-Mailorder und bin für den Hardware-Einkauf zuständig. Das Beste daran ist einfach, dass ich das sehr gut mit Skateboarding verbinden kann. Die Möglichkeiten sind einfach super. Zum Beispiel kann ich, wenn mir danach ist, nach der Arbeit rüber in den Skaters Palace und noch eine Runde fahren. Ist natürlich ideal bei dem miesen Wetter und wo es momentan so schnell dunkel wird.

Du bist ja jetzt auf jeden Fall noch eineinhalb Jahre in deiner Ausbildung. Wie sind die Pläne danach?

Ich will auf jeden Fall viel Reisen und natürlich alles skaten, was sich ergibt. Bisher sieht es ja auch so aus, als könnte ich mir das durch Skateboarding ein wenig mitfinanzieren.

Aber du bist ja doch noch sehr an Münster gebunden. Viele setzen da alles auf eine Karte, sind quasi frei, müssen dann aber auch gucken, wie sie die Butter aufs Brot bekommen.

Ich hatte mir ja schon einmal ein Jahr Auszeit genommen, um mich ein bisschen mehr aufs Skaten konzentrieren zu können. Nebenbei machte ich dann noch ein paar Aushilfsjobs, konnte vor allen Dingen aber viel Freizeit genießen. Leider habe ich mir in dieser Zeit das Bein gebrochen, was aber insoweit positiv war, dass ich mir auch mal richtig Gedanken machen konnte, was ich beruflich machen möchte. So kam ich auch zu dieser Ausbildung. Auch wenn mir das Reisen viel Spaß macht und zum Beispiel Australien eine mögliche Wahlheimat für mich wäre, ist der Gedanke, in meine Heimat (Deutschland) zurückkehren zu können, schon wichtig für mich. Darum habe ich beschlossen, hier eine Ausbildung zu machen, bevor ich mich irgendwo anders niederlasse. Ausbildung als zweites Standbein, kann man sagen.

Wie wichtig war es für dich, in der Skateboardbranche zu arbeiten?

Um ehrlich zu sein, mache ich die Ausbildung zum Bürokaufmann nur, damit ich die Möglichkeit habe, zurückzukommen und etwas zu haben, auf das ich dann wieder aufbauen könnte. Aber ich muss mit diesem Job nicht auf Biegen und Brechen glücklich werden. Interessant ist es trotzdem allemal. Ich habe bombige Arbeitskollegen und viel Spaß. Manchmal wird mir das dann trotzdem schon etwas zu viel, mich nur mit Skateboards und Skaten zu beschäftigen.

Also geht es direkt danach auf Weltreise?

Ja, klassisch, einfach durch die Gegend fahren und gucken, wo es mir gefällt. Vor allen Dingen möchte ich das aber die meiste Zeit alleine machen. Die Reise soll mich, so hoffe ich, vielleicht noch zu der ein oder anderen Entscheidung bringen. Ich habe schon einige Ideen, was ich in Zukunft machen möchte, und gerade auf so einer Reise kann man sich dann seiner Gedanken besser bewusst werden.

Würdest du sagen, dass du eher ein Eigenbrötler bist?

Eigentlich bin ich ein kommunikativer Mensch, der gerne mit Leuten zu tun hat und offen und aufgeschlossen ist. Aber als ich nach Münster gekommen bin, hat sich das schon ein wenig geändert. Warum weiß ich nicht. Aber ich mache viel für mich alleineund mit meiner Freundin und damit bin ich auch glücklich. Vielleicht mache ich mir manchmal aber auch einfach zu viele Gedanken.

Was dadurch unterstrichen wird, dass du sehr penibel darauf achtest, was von dir veröffentlicht wird, seien es Bilder, Texte oder Footage.

Ich finde es einfach nicht so geil, wenn Sachen veröffentlicht werden, die mich eigentlich nicht so darstellen, wie ich wirklich bin. Ich will einfach Einfluss darauf nehmen. Zum Beispiel wie beim Cover dieses Magalogs. Ich habe diesbezüglich eine eigene Meinung und einen eigenen Anspruch. Deshalb bin ich ja dann noch mal zu diesem Rail gefahren, um noch einen Kickflip vor den Backlip zu setzen, der ja bereits im Kasten war. Selbst wenn ich gerade auch noch andere Interviews schieße, ist es mir schon wichtig, dass mein Output in diesem Interview ein gewisses Level hat. Ich hab keinen Bock auf Fotos nach dem Motto „Hauptsache, ich hab irgendwas“. Es sollte zumindest für „etwas“ reichen.

Einen gewissen Anspruch an sich selbst sollte jeder haben. Fühlst du dich denn generell gut bei TITUS und auch im Team aufgehoben?

Arbeitstechnisch? Definitiv! Wir sind ja alle, kann man schon sagen, miteinander befreundet und ich kann auch oft meine Meinung einbringen. Das ist schon ein Privileg! Teamtechnisch könnte es auch kaum besser sein. Mich verbindet zum Beispiel mit Jeremy schon eine langjährige Freundschaft. Er hat mich ja, wenn man so will, ins Team geholt, denn als ich damals noch in Köln gewohnt habe, hat er alles für mich in die Wege geleitet.

Früher war ja auch Köln neben Münster die Stadt. Jetzt zieht es alle nach Berlin.

Vergleiche will ich da gar nicht ziehen wollen. In Köln fühle ich mich schon sehr wohl und einem Besuch in Berlin bin ich auch nie abgeneigt.

Kanntest du die anderen Leute aus dem Team eigentlich auch schon vorher?

Nein, außer Jeremy hab ich eigentlich alle erst so richtig auf Tour kennen gelernt. Ich habe keine Ahnung warum, aber wir verstehen uns alle verblüffend gut und es macht Hammer viel Spaß, mit den Jungs unterwegs zu sein.

Mit dem Team.Titus warst du ja jetzt schon on the road. Was lief bisher mit deinen anderen Sponsoren?

Zu den Hauptsponsoren neben TITUS würde ich definitiv noch Converse zählen, und mit denen bin ich sehr zufrieden. Die geben mir auch die Möglichkeit, oft zu reisen und viel zu machen. Das Problem ist nur, dass ich sehr in die Ausbildung hier eingebunden bin, weswegen ich im letzten Jahr nicht zu so viel gekommen bin. Ansonsten bin ich aber fitter denn je, weshalb ich nach meiner Ausbildung auf jeden Fall wieder richtig Gas geben werde.

Wie sieht’s mit den USA aus?

Ich hätte definitiv mal Lust, rüber zu gehen und zu schauen, wie es so läuft. Das wäre schon ein Traum. Aber ich will da ohne Druck rüber. Sich einfach mal treiben lassen und schauen, wie Skateboarding da drüben so gelebt wird. Und wenn sich was ergibt – cool. Aber ich habe mir auch Grenzen gesetzt und male mir da jetzt nicht den „Ich-werde-Skateboard-Pro-Traum“ aus.

Aktuell werden ja gerade Lem und Willow in den USA sehr gehyped, obwohl es immer schwierig für Ausländer ist, drüben richtig Fuß zu fassen.

Schon, ja. Ich denke aber auch nicht darüber nach, Voll-Profi zu werden und meine Kohle damit zu verdienen. Ich bin ja auch kein Mark, Lem oder Willow, das ist auch noch mal ein ganz anderer Level! Aber so den einen oder anderen Trick will ich auf jeden Fall noch machen und bin nach wie vor voll motiviert. Ich würde sagen, wenn mir nichts passiert, kommt da noch so einiges!

Wobei dich auf der Bright auch einige Amis fahren gesehen haben und echt gestoked waren. Redest du dich vielleicht selbst ein wenig klein?

Naja, wenn ich mir beispielsweise die aktuelle Monster oder die Place anschaue, dann ist das Level doch schon sehr hoch. Es gibt so viele gute Leute. Ich bin auch nicht der Typ, den man jetzt besonders gut vermarkten könnte und der aus der Masse heraussticht– und das ist auch völlig in Ordnung. Ich bin zufrieden mit den Möglichkeiten, die ich durch Skaten habe, und vor allem froh, dass ich sie nutzen kann. Denn – wie gesagt – es gibt viele Leute da draußen, die diese Möglichkeiten leider nicht nutzen können, aber trotzdem extrem gut skaten! An dieser Stelle einen kleinen Gruß in die Schweiz an einen super guten Skater Namens Dario Antonaci!

Wie findest du denn die Entwicklung? Gerade in den USA gibt es Pros, die sich auf Teufel komm raus vermarkten lassen und dafür den Leuten auch leider etwas vorspielen.

Ich will mich jetzt gar nicht gegen irgendwen oder -was aussprechen, aber ich finde das natürlich schon schade. Als ich angefangen habe, war es egal, wie du aussahst. Ich hatte teilweise Klamotten an, die gingen gar nicht: Nylonhose und bauchnabelfreier, orangener Pulli. Aber es hat niemanden interessiert! Und jetzt uniformiert sich jeder nur noch und folgt irgendwelchen Trends. Und mir ist das schon oft passiert, dass ich ein neues Board zusammengeschraubt habe, die Rollen halt noch vollkommen okay waren und ich die nicht wegschmeißen wollte. Ich wollte die dann den Kids schenken und denen eine Freude machen – und dann gucken die mich an, so nach dem Motto: Was soll das denn, das ist mir nicht neu oder stylisch genug.

Die Farbe der Schnürsenkel passt nicht zu den Kugellagern.

Genau. Und das ist einfach echt schade. Aber das ist generell bei vielen Menschen so. Wenn Leute optisch cool und hip reinkommen, dann halte ich mich meistens schon ein wenig von denen fern, weil ich oft merke, dass die gar nicht darüber nachdenken, wer sie sind, sondern eher, was sie sein wollen. Sie probieren irgendeine Schiene mitzufahren. Meistens sind mir diejenigen eher sympathisch, die sich zurückhalten und lieber gar nichts als irgendeinen Bullshit labern und nicht ständig im Mittelpunkt stehen müssen.

Interessiert es dich eigentlich, was andere Firmen so machen, sprich: Gehst du auch auf die Messen?

Das interessiert mich dann eher jobtechnisch. Aber privat war ich noch nie jemand, der sich sehr dafür interessiert, was gerade neu ist.

Spielen Videos immer noch eine große Rolle, wenn es um den Verkauf von Hardware geht?

Heute kannst du dir jeden Tag Videos im Internet angucken. Dadurch verpufft alles viel schneller. Den letzten Einschlag gab es vielleicht mit dem Flip-Video. Aber früher kannte ich die Dinger noch komplett auswendig. Und Zero bringt jetzt ein neues Video raus – da kenne ich noch nicht einmal alle Fahrer. Ich glaube, dass sich Skateboarding gerade sehr umstrukturiert. Es gibt keine Überflieger mehr, die als Stars gehandelt werden. Jetzt werden die Topleute nur noch über einen kurzen Zeitraum abgefeiert, richtig vermarktet, genutzt und dann ganz schnell wieder links liegen gelassen. Und dann kommt der nächste dran.Das wäre so meine Betrachtung.

Wo wir gerade über Hardware gesprochen haben. Was für ein Setup fährst du?

Zurzeit mein Pro-TITUS-Puppet-Box-Signature-Deck, dazu Thunder-Trucks, Reds Kugellager von Bones Bearings und die TITUS-Bones-Anti-Flatspot-Collabo-Rolle.

Würdest du heute eigentlich noch zu einem Handrail gehen und das auch ohne Fotograf oder Filmer fahren?

Definitiv! Klar Ärgert man sich bei krasseren Sachen schon darüber, dass gerade keiner da war, aber trotzdem habe ich in meiner Vergangenheit schon Sachen gemacht, die gut waren und von wenigen Leuten gesehen wurden. Heutzutage wird ja alles geskatet. Und mir macht zum Beispiel Transition fahren total viel Spaß. Aber ich hab mir dabei auch das Bein gebrochen und daher habe ich ab einer gewissen Höhe einfach einen riesigen Respekt davor. Mehr als vor Rails oder Stufen. Aber mittlerweile bin ich wieder richtig fit und merke auch, dass meine Boardkontrolle nun auch wirklich große Dinge zulässt. Und die ganzen Sachen, die ich früher an Curbs gemacht habe, kann ich nun auf große Rails und Ledges übertragen. Und in diese Richtung entwickelt sich das bei mir. Also früher war es ja so, dass ich immer die neusten Tricks aus den Videos geübt habe und man sich im Skatepark auch immer hart gepusht hat. Und heute merke ich, dass ich am liebsten nur Curbs und ein kleines Rail fahre, während um mich herum teilweise richtig Action ist. Ich persönlich stehe einfach auf technisch cleanes Skaten mit einer kleinen Portion Moshen.

Sind Contests eigentlich noch wichtig für dich oder für die Branche? Für Skateboarding und den Rest der Welt?

Mir waren Contests schon immer egal. Das hat für mich noch nie eine Rolle gespielt. Klar würde ich mich freuen, wenn ich so wie Yannick über den Parcours fliegen könnte. Aber auf einem Contest baut sich immer ein immenser Druck auf und das ist einfach nicht meins. Ich brauche meine Ruhe. Wenn tausend Leute um mich herumstehen, dann nervt mich das eher. Wobei ich glaube, dass ich das auch so langsam lerne, denn die letzten Contests liefen gar nicht schlecht.

Hast du denn generell ein Problem, wenn Leute dabei sind?

Eigentlich eher weniger. Vor allen Dingen, wenn es echt nette Leute sind, kann sich dadurch manchmal eine richtig krasse Session entwickeln. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mit Denny und Vladik einfach in der Halle in Osnabrück skaten war und das Level immer höher wurde. Wir haben uns einfach krass gepusht und das war richtig geil. Einfach nur Spaß.

„Spaß“ ist ein schönes Schlusswort.
Noch irgendwem dankbar?


Klar! Ich möchte mich bei Benni Markstein und bei Titus bedanken. Bei Converse, Ambigious, Doodah. Und natürlich bedanke ich mich auch bei all meinen Freunden. Außerdem noch ein Dank an meine Eltern. Und ganz offiziell grüßen möchte ich die TITUS-Mitarbeiter, ganz besonders meinen Ausbilder Sven Leyk.